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"Wie verkauft man, dass man weniger kaufen soll?"


Wolfgang Pekny, Plattform Greenpeace, Foto: ripExterner Auftraggeber Wolfgang Pekny im Interview

KOMM-Projekt: Think Tank "Footprint"

Im 2. Semester JG 2010 BB, Abschlusspräsentation 29. Mai 2007

Ein außergewöhnliches Projekt für ein integriertes Kommunikationskonzept als Semesterprojekt: Bekanntheitssteigerung der NGO-Plattform Footprint und Schaffung von Bewusstsein in der Gesellschaft, dass unsere Wirtschaft "schrumpfen" muss. Ein Interview mit dem externen Auftraggeber Wolfgang Pekny über den ökologischen Fußabdruck, die Sinnhaftigkeit von Fachhochschulen und die Gewissheit, dass unsere Wirtschaft keine Zukunft hat.

Wolfgang Pekny ist als Umweltpionier der ersten Stunde heute Senior Strategic Operator bei Greenpeace für Zentral- und Osteuropa und Projektleiter der Plattform Footprint. Das Interview im Greenpeace Büro Wien führten die KOMMPress-RedakteurInnen Carola Schmid und Richard Pyrker.

KOMMPress: Können Sie sich selbst kurz beschreiben?

Pekny: Ich bin als geborener Wiener und Kosmopolit zwar nicht eitel, aber eines kann ich aus eigener Erfahrung behaupten: Auch unkonventionelle curriculum vitae enden nicht als Sandler! Da ich lieber Dinge starte, als zu betreuen, sehe ich mich als Pionier und Visionär.

KOMMPress: Wie hat Ihr Engagement für Umweltschutz begonnen?

Pekny: Mit meinem Studium in Chemie und Physik ab 1974 hatte ich zuerst nur ein Ziel: Den Nobelpreis! Dann haben sie meinen kleinen Bach zerstört, den Russbach. Das war mein Startschuss. Heute ist der Russbach zwar eine Kloake, aber der Einsatz für scheinbar Hoffnungsloses lohnt sich trotzdem: Vieles was gestern als Unlösbar galt, ist heute eine Selbstverständlichkeit, etwa Österreichs Ausstieg aus der Atomwirtschaft.

Das 1972 erschienene Buch Die Grenzen des Wachstums ist mein Wendepunkt, ich wechsle mein Studium zu Biologie und Ökologie. Konrad Lorenz als Umweltpionier und Universalgelehrter ist mein Vorbild. Nach einiger Zeit als Ausgewanderter in Kanada und Alaska, wo ich in einem Blockhaus gelebt und mir ein Baumhaus gebaut hatte, kehrte ich nach Österreich zurück. Mit einem Wunsch: Die Welt zu verändern. Ab 1982 formierte ich mit einer Gruppe den Greenpeace-Outpost Österreich und wurde Aktivist.

KOMMPress: Was waren Ihre größten Abenteuer?

Wolfgang Pekny in Action am Wienerberg Tower, Plattform Footprint, Foto: GreenpeacePekny: Ich habe keinen 8000er bestiegen, aber drei Atomkraftwerke. Als Kletterer, Taucher und Fallschirmspringer mit dem Drang zum Abenteuer war Greenpeace meine Art Schutzschild zur Legitimation. Dann bekam ich als einer der ersten die Möglichkeit, für Greenpeace bezahlt zu arbeiten und bin seit 20 Jahren dabei.


KOMMPress: Wie ist das Projekt Footprint entstanden?

Pekny: Seit 1987 verbraucht die Menschheit mehr als einen Planeten, wir leben also in einem ständigen Defizit und - wir müssen "schrumpfen"! Das ist natürlich für die Wirtschaft unkommunizierbar. 1995 wurde die Maßzahl zur Berechnung des ökologischen Fußabdrucks publiziert, ab 2003 entwickelte sich das Global Footprint Network. Für Greenpeace ist das Projekt zu übergreifend, daher haben wir die Vernetzung mit anderen Partnern gesucht. Wir wollen die notwendigen Verhaltensänderungen in der Gesellschaft bewirken, die das ökologische und soziale Überleben in unserer immer kleiner werdenden Welt sichern können.

KOMMPress: Wie sehen Sie die Zukunft unserer Gesellschaft?

Wolfgang Pekny, Plattform Footprint, Foto: ripPekny: Die Hälfte des Weltvermögens akkumuliert bei den Superreichen, die anderen sollen verrecken? Das ist nicht zukunftsfähig und führt zu Terrorismus, Revolte und letztlich Krieg. Die "Wende" wird aber nicht von unserer Gesellschaft ausgehen, sondern von der 3. Welt oder der Natur. Das Wirtschaftssystem wird krachen, der soziale Frieden kippen und es wird zu Krieg kommen.

KOMMPress: Wie leben Sie und Ihre Familie?

Pekny: Ich bin global-ethischer Vegetarier nach dem ökologisch-kategorischen Imperativ - die Freiheit der Gesellschaft endet dort, wo andere verrecken. Aber ich bin ein aufgeklärter Optimist (lacht)! Selbst esse ich drei bis viermal im Jahr Bio-Fleisch. Mein Bruder hat ein Fischgewässer, wo ich manchmal selbst fische. Ich muss heuer nach Kanada wegen des Footprint Networks, leider werde ich dazu fliegen müssen. Dafür werde ich CO2-Kompensationszahlung leisten, die übrigens viel zu niedrig angesetzt ist.

Meine Kinder sind naturverbunden und aufgeklärt erzogen. Marie Therese ist 13 Jahre alt und Vegetarierin, was sie sich selbst ausgesucht hat. Mein Sohn Jakob ist jetzt 10 Jahre. Mit meiner Frau bin ich seit 22 Jahren zusammen, sie ist Biologin und wir sind prinzipiell "Outdoor" Menschen. Trotzdem gehen wir auch ab und dann zu McDonald’s und zu den Kinderpartys dort, weil es ja sonst "zu interessant" für die Kids wird. Danach wird aber diskutiert. Übrigens: McDonald’s ist punkto Mülltrennung vorbildlich und reagiert sofort auf Kritik. Aber das Essen hat zu viele Kalorien.

Meine Lieblingszeitschrift ist übrigens Brandeins, die zeigt, dass Wirtschaftsmagazine doch auch reflektiert geschrieben sein können. Nächstes Jahr möchten wir eine Amazonas-Reise machen, natürlich mit dem Schiff. Containerreisen machen das möglich, das wird derzeit richtig ein Trend, die Plätze werden knapp. Vielleicht bauen sie bald eigene Containerschiffe für Individualreisende (lacht).

KOMMPress: Wie sind Sie auf unseren FHWien-Studiengang gekommen?

Pekny: Den Zugang zur Fachhochschule habe ich über unseren ACT-Magazin Herausgeber Roman Kellner, der an der FHWien Kurse hält. Als ich da mit Lektor Peter Dietrich zusammen gekommen bin, hat sich gleich die Frage gestellt: Wie verkauft man, dass man weniger kaufen soll? Ein Experiment weg von den üblichen Kommunikationsprojekten, die sich abwechselnd mit A1 und T-Mobile beschäftigen. Peter Dietrich motivierte dann mit der Aussage, es gäbe nichts, was man nicht kommunizieren kann.

KOMMPress: Was waren Ihre Eindrücke von unseren Präsentationen?

Pekny: Bei Footprint geht es nicht um klassische Kommunikation, das haben alle Projektgruppen erkannt. An Schulen gehen, früh anfangen bei den Kindern, Wettbewerbe gestalten, das sind alles Dinge, die ich gerne umsetzen will. Ich habe die einzelnen Detailkonzepte noch nicht komplett durchgearbeitet, aber werde mir noch einige Inspirationen daraus holen. Eine "Gewinnergruppe" bestimme ich aber nicht (lacht)!

Als wichtigste Erkenntnis habe ich von den Kommunikationsexperten mitgenommen: "andere kochen auch nur mit Wasser". Es war schön zu sehen, dass wir von Footprint nicht daneben liegen mit unseren Strategien. Generell war ich sehr überrascht vom Engagement der Projektteams. Auch meinen Kollegen Leon Lenhart von bestpractice, der bei den Präsentationen als Gast dabei war, beeindruckte die Qualität. Die Präsentationen waren teils professioneller als von so mancher Agentur, die wir erlebt haben.

KOMMPress: Was ist Ihre Meinung zum Fachhochschul-System?

Wolfgang Pekny, Plattform Footprint, Foto: ripPekny: Die Lehrsituation ist heute komplett anders, bedauerlicherweise. Die "Verschulung" und daraus entstehende "Kasterljobs" sind gefährlich, ein langes Uni-Studium wäre allgemein bildender. Auf Fachhochschulen lernt man nicht unbedingt, die Welt besser zu verstehen. Wobei man natürlich auch Spezialisten mit Fachwissen braucht, ich persönlich habe aber lieber die Übersicht.

An den Unis gibt’s ja leider auch keine Grundlagen-Forschung mehr. Wenn es nach Beamten gegangen wäre, hätten wir heute 100spännige Kutschen statt Autos. Kritische Geister verschwinden ganz allgemein, wer finanziert schon kritische Arbeiter? Früher wurde mehr Fokus auf Wissen gelegt, jetzt ist die Ausbildung wesentlich erfolgsorientierter und alle stehen unter Druck. Dadurch bleibt die Allgemeinbildung auf der Strecke. Aber zum Glück ist der Mensch an sich ein Freigeist und schafft sich seinen Freiraum selbst (lacht optimistisch)!

KOMMPress: Wo sehen Sie Ihre Aufgabe in Zukunft und… wie viel verdienen Sie eigentlich?

Pekny: Ich bin nicht vorwiegend operativ an den Footprint Projekten beteiligt, betreibe aber Aufklärung und Vernetzung, um am neuen Bild der Welt zu arbeiten. Eine meiner Aufgaben besteht im Lobbying für die Einführung der Footprint-Maßzahl in offizielle Statistikzahlen der Republik Österreich. Mein Einkommen beträgt derzeit € 3.600,- brutto, ich bin aber ab Juli nur noch halbtags angestellt. Das Gehalt ist für Greenpeace außergewöhnlich hoch, weil ich schon sehr lange dabei bin. Ach ja, und – mein persönlicher ökologischer Fußabdruck beträgt 3,2 Hektar. Eigentlich auch schon zu viel.

Wolfgang Pekny, Plattform Footprint, Foto: ripKOMMPress: Danke für das interessante Gespräch! (Anmerkung: Das Interview ist stark gekürzt, Herr Pekny hatte sich über zwei Stunden für uns Zeit genommen)

Hintergrundwissen: Durchschnittlich beansprucht ein Wiener 3,9 Hektar, ein Österreicher 4,6 Hektar. Bei weltweit gleicher Verteilung stünden jedem Menschen 1,8 Hektar zur Verfügung.
Eigenen Footprint berechnen: www.fussabdruck.at
Footprint Plattform Österreich: www.footprint.at
2007-06-29 16:51
von komm.true
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